Textprobe

Überraschung aus Schlepzig

Der Spreewaldbrennerei im Landkreis Dahme-Spreewald gelang ein Kunststück, von dem Destillateure auf der ganzen Welt träumen:
Ihr Single Malt wurde in der berühmten Whisky-Bibel von Jim Murray in höchsten Tönen gelobt.

Die Geschichte klingt, als wäre sie für einen Mittwochabendfilm erdacht worden: Ein wohlhabender Radiologe aus Berlin kehrt der Großstadt den Rücken, um im beschaulichen Spreewald ein altes Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert zu restaurieren. Er versucht sich als Gastronom und Brauereibetreiber, hat damit großen Erfolg und beschließt, nun auch noch Schnaps zu brennen. Eine Flasche seines ersten Whiskys gerät schließlich in die Hände der britischen Whisky-Koryphäe Jim Murray, der dem feinen Tropfen aus Brandenburg nichts Geringeres als „Weltklasse“ bescheinigt ... Wäre die Story dem Kopf eines Autors entsprungen, hätten seine Auftraggeber vermutlich etwas mehr Realitätssinn eingefordert. Doch sie ist tatsächlich so passiert. Der ehemalige Mediziner Torsten Römer, ein gebürtiger Bremer, brennt in Schlepzig Obstbrände, Liköre, Rum sowie Brandenburgs einzigen Single Malt Whisky, den „Sloupisti“. Ein Name, der keinesfalls als Versuch gemeint ist, ähnlich unaussprechlich zu klingen wie die schottischen Vorbilder, die schon mal Pittyvaich, Laphroaig oder Lagavulin heißen können. Sloupisti ist einfach der sorbische Name für Schlepzig.

„Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass die Jim-Murray-Bewertung so ein Echo finden würde“, sagt der 62-Jährige, der erst von der Journalistin Julia Nourney, einer der profiliertesten Whisky-Kennerinnen Deutschlands, auf den Ritterschlag des Whisky-Papstes aufmerksam gemacht worden war. Sie hatte einen der ersten Sloupisti probieren können und prompt eine Flasche mit nach England genommen, um sie Jim Murray vorzustellen. Als „riesig“ und „abgefahren“ bezeichnete die Legende das exotische Brandenburger Gebräu in seiner 2010er-Whisky-Bibel und bescheinigte ihm eine wuchtige und überwältigende Persönlichkeit. Mit 94 von 100 möglichen Punkten ordnete er den Sloupisti in die Kategorie „Superstar-Whiskys“ ein.

Auch wenn Römer selbst kein Whisky-Liebhaber ist und lieber Bier trinkt, freut er sich nach wie vor über Murrays Urteil, wenngleich es seinen Alltag gehörig durcheinandergewirbelt hat. „Dieser Hype ist eigentlich zu groß für uns“, sagt er. „Wir müssen ständig Leute enttäuschen, die den Whisky gerne kaufen wollen. Aber wir haben einfach nicht genug.“ Erst im nächsten Jahr wird das Ergebnis der seit 2010 kontinuierlich vergrößerten Kapazität in Flaschen gefüllt und einem größeren Kreis an Whisky-Liebhabern zugänglich sein. Dass Römer auf seiner heißen Ware sitzen bleibt, ist ohnehin nicht zu befürchten. Dafür sorgen zahlreiche Medienberichte und euphorische Erzählungen von Spreewaldtouristen, die bei einer Führung durch die Spirituosenfabrik bereits Gelegenheit hatten, den Edelschnaps zu probieren.

Zufall, Zeit und Glück“, antwortet Medizinmann Römer auf die Frage, welche Zutaten für einen Spitzenwhisky nötig sind. „Der entscheidende Faktor“, so verrät er, „ist allerdings das Fass.“ Die Spreewaldbrennerei nutzt ausschließlich Weinfässer, die schon mehrfach verwendet wurden. In ihrem Holz speichern sie die unterschiedlichsten Aromen und geben sie während der Reifezeit an den Whisky weiter. „Aber es ist schade, dass jeder nur den Whisky will“, sagt der Destillenchef und verweist auf die fast hundert anderen Spirituosen, die in seinen Thekenregalen lagern. „Einen guten Whisky zu brennen, ist zwar anspruchsvoll – aber für einen guten Obstbrand muss man meiner Meinung nach noch viel mehr über Geschmack und Aroma wissen.“ Die Palette von Römer reicht von Quittenschnaps über Wildkirschwasser bis zum Rum. Alle seine Produkte tragen das Etikett der Spreewälder Feinbrand- und Spirituosenfabrik, einen prostenden Storch mit Fliege und Zylinder.

Die Brauerei und den Landgasthof hat Römer inzwischen verkauft, um sich ganz seinem Brennereihof „Spreewaldini“ zu widmen, der 2011 entstand und neben den Produktionsanlagen und Lagerräumen über einen Hofladen sowie Verkaufsräume verfügt, die in Kürze durch eine Probierecke ergänzt werden. Auch leckeres, selbst hergestelltes Eis kann man im Spreewaldini genießen. Die Sortenvielfalt ist dabei ebenso ungewöhnlich wie originell. In Sachen Whisky will es der Norddeutsche jetzt allerdings etwas ruhiger angehen lassen. Als potenzielle Konkurrenz zu den bekannten schottischen Brennereien sieht er sich ohnehin nicht. „Ich empfände es als unhanseatisch, wenn ich mit ein paar Jahren Brennereierfahrung schon laut herumposaune“, sagt er gelassen. „So eine Tradition muss lange reifen. Viel länger als ein guter Whisky.“

Dieser Text erschien in "Sanssouci", dem Kundenmagazin der MBS (Mittelbrandenburgische Sparkasse)

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