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Entdecken Sie Geschichte, die in Geschichten lebt

Wer Görlitz besucht, wird augenblicklich zum Zeitreisenden. Denn auf wenigen Hundert Metern lassen sich hier Schätze aus mehr als einem halben Jahrtausend europäischer Architekturgeschichte entdecken. Mit Bauwerken der Spätgotik, der Renaissance, des Barocks und des Jugendstils gilt Görlitz heute als städtebauliches Gesamtkunstwerk. Dabei kommt der Stadt zugute, dass sie im Zweiten Weltkrieg komplett erhalten blieb. Insbesondere die Häuser in der Altstadt faszinieren mit ihren reich verzierten Fassaden, kunstvollen Gewölben und bemalten Decken aus den verschiedenen Epochen. Nirgends in Deutschland finden Sie eine solche Dichte aufwendig restaurierter Baudenkmäler wie in der Stadt an der Neiße. 

Urkundlich erwähnt wurde Görlitz erstmals im Jahre 1071. Die Stadt entstand am Schnittpunkt der zwei ältesten und bedeutendsten Handelsstraßen Europas, der „Via Regia“, die von Kiew bis nach Santiago de Compostela führte, sowie der „Salzstraße“, über die man von Prag bis an die Ostsee gelangte. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich Görlitz zu einem einflussreichen Zentrum des Handels und der Wissenschaften. Mit dem Nikolaiturm, dem Reichenbacher Turm und dem Frauenturm (auch Dicker Turm genannt) sind noch drei gewaltige mittelalterliche Türme erhalten. Sie gehörten früher zur Stadtwallanlage, die bis zum Dreißigjährigen Krieg jedem Angriff trotzte. Gemeinsam mit dem Rathausturm sowie den Türmen der Peterskirche und der Dreifaltigkeitskirche bilden sie die typische Silhouette, die Görlitz einst den Beinamen „Stadt der Türme“ einbrachte.

Ihren Rundgang beginnen Sie am besten in der Altstadt oder der Nikolaivorstadt, die überwiegend von der Bebauung aus dem Mittelalter geprägt sind. Das Ensemble der historischen Gebäude scheint hier direkt einem alten Gemälde entsprungen. Wohin Sie auch schauen, finden Sie spätgotische Arkaden, reich verzierte Portale, mit Akanthuslaub bemalte Fassaden oder prachtvolle Innenhöfe. Der mediterrane Einfluss ist unverkennbar. Kein Wunder – die böhmischen Baumeister lernten in Italien. Rund um den Untermarkt finden Sie eine Reihe ungewöhnlich wertvoller Bürgerhäuser und Stadtpalais. Mit dem Schönhof steht in Görlitz zum Beispiel das älteste bürgerliche Renaissancehaus Deutschlands. Es wurde im Jahre 1526 errichtet. Heute hat hier das Schlesische Museum seinen Sitz.

Zu den markantesten Gebäuden der Stadt zählt zweifellos das Rathaus, dessen älteste Teile aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammen. Berühmt ist die 1537/38 erbaute Rathaustreppe, die Wendel Rosskopf, einer der bekanntesten Görlitzer Baumeister, schuf. Auch die zwei bis heute erhaltenen Zifferblätter der Stundenuhr am Rathausturm aus dem Jahre 1524 verdienen Beachtung. Für die Stadt typisch sind die Görlitzer Hallenhäuser. Ihre imposanten Kreuzgewölbe, die sich über die gesamte Breite der Eingangshallen erstrecken, boten ganzen Pferdefuhrwerken Platz. Hier stapelten die Kaufleute einst ihr Tuch. 35 dieser außergewöhnlichen Bauwerke mit Elementen der späten Gotik und der Renaissance sind in der Görlitzer Altstadt erhalten geblieben. So zum Beispiel das Biblische Haus in der Neißstraße. Seine pittoreske Fassade stellt Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament dar. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das Gebäude mit der Nummer 30. Hinter seinem imposanten Barockportal ist eine der ältesten Bibliotheken Sachsens, die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, beheimatet.

Nicht nur die historische Architektur will in Görlitz erkundet sein. Es gilt auch, den reichen Schatz an Sagen zu entdecken, die an der Neiße seit dem Mittelalter erzählt werden. Eine davon berichtet von einer Gruppe unzufriedener Tuchmacher, die sich 1527 zusammentat, um den Rat abzusetzen. Als eines Tages die Turmuhr der Dreifaltigkeitskirche sieben Minuten zu früh schlug, liefen die Verschwörer beim Verlassen des Ortes, an dem sie ihre geheimen Treffen abhielten, dem Nachtwächter in die Arme. Die Umsturzpläne scheiterten. Mit den Aufständischen machte man kurzen Prozess, und das Seitengässchen, das zu ihrem Versteck führte, trug fortan den Namen Verrätergasse. Noch heute kann man die Inschrift sehen, die von den Mächtigen der Stadt damals zur Mahnung angebracht wurde: D. V. R. T. – Der verräterischen Rotte Tor. Die besagte Turmuhr schlägt seit diesem Ereignis übrigens immer sieben Minuten vor der Zeit, was bei vielen Neuankömmlingen für verwunderte Mienen sorgt. Eine andere Sage erzählt von einem Schmied, dessen Faulheit der Teufel einst mit ewiger Arbeit bestrafte. Angeblich kann man ihn noch heute Nacht für Nacht am Ober- markt schmieden hören. Geschichten wie diese kennt Görlitz unzählige. Sie handeln von drei- beinigen Hunden, eingemauerten Mönchen oder von märchenhaften Schätzen, die unter der Landeskrone verborgen sein sollen. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, schließen Sie sich am besten einer der beliebten Altstadtführungen an, bei denen die Görlitzer Sagen eine große Rolle spielen.

Doch es sind nicht nur die Sagen aus längst vergangenen Zeiten, die Einheimische und Gäste gleichermaßen faszinieren. Seit 1995 hat die Stadt einen anonymen Gönner, der jedes Jahr im März eine halbe Million Euro zum Zwecke der Altstadtsanierung überweist. Sämtliche Nachforschungen, um hinter die Identität des unbekannten Mäzens zu kommen, führten ins Leere oder wurden durch die Kanzlei, die für die jährlichen Überweisungen zuständig ist, unterbunden. Sie ließ die neugierigen Stadtväter wissen, dass die Geldquelle sofort versiegt, falls der Name des mysteriösen Wohltäters bekannt würde. Ihre Dankbarkeit zeigt die Stadt dem edlen Spender heute auf andere Weise, indem sie die mit seiner Hilfe geförderten Sanierungsobjekte mit einer Plakette kennzeichnet.

Dieser Text erschien in der Imagebroschüre der Europastadt Görlitz Zgozelec GmbH.

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